Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel, Klinik für Oral Health & Medicine, Mattenstrasse 40, CH-4058 Basel, Schweiz, Prof. Dr. Jens C. Türp
*Deutsche Version der englischen Erstveröffentlichung Türp JC: Painful bites: Publication invitations from online journals. Dtsch Zahnärztl Z Int 2021; 3: 248–249
Zitierweise: Türp JC: Vorsicht bissig: Publikationseinladungen von Online-Journalen. Dtsch Zahnärztl Z 2021; 76: 345–346
DOI.org/10.3238/dzz.2021.0023
Am 6. August 2021 erreichte mich um 0.05 Uhr eine E-Mail, in welcher um Einreichung eines Manuskripts für die Erstausgabe einer zahnmedizinischen Online-Zeitschrift mit dem wohlklingenden, aber bis dato völlig unbekannten Titel Journal of Dentistry and Oral Medicine gebeten wird (Abb. 1). Bereits in dem Anschreiben fielen einige Dinge auf: Neben der späten Uhrzeit (die man wegen der sechsstündigen Zeitverschiebung noch rechtfertigen kann) stachen unter anderem die unpassende Anrede («Dear jens.tuerp») und die ungewöhnliche Eingangsformulierung («Welcome…!!»), die breite inhaltliche Aufstellung («all types of articles»), die Betonung der fachlichen Qualifikation des Editorial Boards («extensive academic qualifications») und die extrem kurze Frist von 10 Tagen für die Einreichung eines Manuskripts ins Auge.

Wenn man eine solche Mail erhält, gibt es zwei Möglichkeiten: Man löscht sie gleich (was kein schlechter Rat ist) oder man schaut sie sich genauer an, um sich ein Bild von dem Grad ihrer Seriosität zu machen (auch kein schlechter Rat). Ich entschloss mich für letzteres.
Beim Journal of Dentistry and Oral Medicine handelt es sich, wie man der Selbstbeschreibung auf der Webseite entnehmen kann, um eine «internationale, von Experten begutachtete Open-Access-Zeitschrift mit Schwerpunkt auf Forschung und klinischen Aspekten der Zahnheilkunde und Oralmedizin». Sie deckt nach eigenen Angaben inhaltlich alle Bereiche der Zahnmedizin ab und führt zu diesem Zweck 46 Schlüsselbegriffe an, von Bone Regeneration bis Traumatology. Das Journal of Dentistry and Oral Medicine wird lanciert von dem in Urbana, Maryland (USA) ansässigen Online-Verlag Inquest Publications. Dieser listet auf seiner Webseite (www.inquestpublications.com/) 49 weitere Online-Journale aus dem medizinischen Bereich auf. Von Aufmachung und Inhalt (einschließlich einiger grammatischer und orthographischer Fehler) unterscheidet sich die Webseite nicht von denjenigen vergleichbarer Anbieter.
Im Editorial Board werden 21 Mitglieder aus neun Ländern präsentiert: Brasilien (1 Person), Frankreich (2), Indien (4), Italien (6), Malaysia (3), Rumänien (1), Saudi-Arabien (1), Serbien (1) und der Türkei (2). Eine Analyse der PubMed-basierten Publikationsleistung der 21 Personen zeigt, dass nur vier (ausnahmslos italienische) Mitglieder eine starke Präsenz (65 bis 115 Beiträge) in dieser Meta-Datenbank aufweisen (Tab. 1). Dagegen sind 6 Personen mittelmäßig (im Bereich 20 bis 30 Veröffentlichungen) und die restlichen 11 schwach vertreten (weniger als 20 Publikationen). Angesichts dieser Zusammensetzung gesamthaft von einem «angesehenen Redaktionsbeirat mit umfassenden akademischen Qualifikationen» (Abb. 1) zu sprechen, erscheint gewagt – die Kollegin und die drei Kollegen aus Italien seien von dieser Feststellung explizit ausgenommen.
Name | Zahl |
L R | 115 |
F D | 72 |
F E | 70 |
L L | 65 |
R X | 32 |
P A | 30 |
M M | 29 |
A I | 29 |
N M | 23 |
S P | 23 |
C F | 18 |
H I | 14 |
R A | 11 |
K M | 10 |
P P | 10 |
O B | 8 |
B A | 5 |
V L | 4 |
A D | 3 |
S O | 2 |
C D | 2 |
Tabelle 1 Zahl der PubMed-gelisteten Artikel der 21 Editorial-Board-Mitglieder. Diese sind mit ihren Initialen (Nachname, erster Vorname) aufgeführt. |
Inquest Publications weist darauf hin, dass den Lesern der publizierten Artikel keine Gebühren für den Zugriff auf die Beiträge berechnet werden – wovon man bei reinen Online-Zeitschriften grundsätzlich ausgehen sollte. Dagegen werden den Autorinnen und Autoren nach Annahme eines eingesandten Manuskripts für die Bearbeitung bzw. Veröffentlichung desselben Gebühren in nicht unbeträchtlicher Höhe erhoben (Tab. 2).
Artikeltyp | Kosten |
Artikel in Zusammenhang mit geförderter Forschung | $2200 |
Andere Forschungsartikel | $1200 |
Übersichtsbeitrag | $1000 |
Kurzartikel | $500 |
Tabelle 2 Publikationskosten |
Unabhängig von der Frage nach der Qualität des Begutachtungsprozesses eingereichter Manuskripte, d.h. von der Frage, ob ein Peer Review, das seinen Namen verdient, wirklich durchgeführt wird, besteht ein gewichtiger Einwand in einem weiteren Sachverhalt: Es ist nicht garantiert, dass die Zeitschrift in absehbarer Zeit in den bekannten medizinischen Datenbanken, wie PubMed, Livivo und Directory of Open Access Journals, gelistet werden wird. Eine auf die (weitestgehend unbekannte) Webseite von Inquest Publications beschränkte Zugriffsmöglichkeit steht einer Rezeption der Publikationen durch die Zahnärzteschaft jedenfalls entgegen. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die eingestellten Beiträge in näherer oder fernerer Zukunft nicht mehr zugänglich sind, zumal ein Blick in die anderen 49 Zeitschriftentitel offenbart (www.inquestpublications.com/journals.html «Articles»), dass bisher in nur 15 Zeitschriften Artikel in bescheidener Zahl veröffentlicht wurden (gesamthaft 35, minimal 1, maximal 5, im Median 2 Artikel pro Zeitschrift (nicht pro Heft!).
Ob man unter diesen Umständen eine Veröffentlichung in dieser oder in Online-Zeitschriften vergleichbarer Anbieter in Erwägung ziehen möchte, mag jeder selbst entscheiden. Aber eigentlich sollte die Antwort klar sein.
Interessenkonflikte
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
